Tanzende Gestalten, tosendes Meer, archäologische Reste vergangener Kulturen: Éva Reményis Schmuckstücke erzählen Geschichten, und nicht selten ist für den Betrachter eine ganz persönliche dabei. Was als Hobby begann, entwickelte sich zu einer Leidenschaft. Die Designerin und Markengründerin hat ihre Anfänge nie vergessen – und weiß, dass ihre Kunst einmal in einer öligen Schlosserwerkstatt begann.

Audi: 2022 war ein Jubiläumsjahr: Die Marke Éva Reményi feierte ihren 10. Geburtstag. Runde Jahrestage sind Meilensteine, an denen man auf Vergangenes zurückschaut und in die Zukunft blickt, Bilanz zieht und plant. Fangen wir mit dem ersten Aspekt an: Wie hat die Geschichte begonnen?

Éva Reményi : So gesehen, begann alles vor 16, 17 Jahren, in meinen frühen Zwanzigern, mit einem Block Terrakotta. Damals wusste ich noch nicht, was ich machen wollte. Aber ich hatte den Wunsch, etwas zu schaffen – und so kaufte ich im Malergeschäft in der Budapester Városmajor-Straße eine Packung lufttrocknende Terrakotta. Daraus begann ich, runde Medaillen herzustellen. Eine Zeit lang habe ich experimentiert, und in den sechs oder sieben Jahren vor der Gründung der Marke habe ich als reines Hobby eine ganze Menge anderer Techniken ausprobiert.

Audi: Wie sind Sie dann auf Metall gekommen?

Éva Reményi: Meine Großmutter wohnte in der Nachbarschaft und hatte einen schönen alten Dachboden voller Schätze – vom Pferdegeschirr über Möbel bis hin zu alten Koffern. Einmal fand ich dort oben eine Holzkiste voller Aluminiumbleche. Sie gefielen mir sehr. Ich begann, mit ihnen zu experimentieren, und dann geschah etwas mit mir: Ich entdeckte, wie schön es war, mit Metall zu arbeiten, und ich fragte mich, warum ich nicht schon früher darauf gekommen war. Nach einigen Recherchen fand ich dann die Werkstatt meiner Namensvetterin Katalin Reményi, einer Goldschmiedemeisterin. Die besuchte ich neben der Arbeit ein Jahr lang einmal pro Woche. Damals ahnte ich noch nicht, dass ich eines Tages mit Schmuck arbeiten würde.

Audi: Was brachte den Durchbruch?

Éva Reményi : Katalin ermutigte mich, nachzusehen, wann die nächste Goldschmiedeausbildung am Technikum für Handwerk in der Budapester Práter-Straße beginnt, und mich dort zu bewerben. Zwei Wochen später ging es los, ich schrieb mich ein. Neben meinem Vollzeitjob war dies ein großes Unterfangen. Aber zwei Jahre im „Práter“ brachten schließlich den Durchbruch. Hier erlebte ich zum ersten Mal die Schönheit der Handarbeit, die zu meiner Lieblingsbeschäftigung wurde. Dort in der Schule wurde mir klar: Das ist es, was ich machen will.

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Ich war das kleine Mädchen, das sich in der Werkstatt nicht langweilte, sondern sich gerne Schrauben und Werkzeuge ansah.

Audi: Kehren wir zurück zu den Aluminiumstücken, die Sie auf dem Dachboden gefunden haben. Wissen Sie, wie sie dort hingekommen sind?

Éva Reményi: Mein Urgroßvater arbeitete in einer Aluminiumfabrik und brachte sehr schöne Gegenstände, beispielsweise Schalen und Krüge, mit nach Hause. Auch die Dose gehörte ihm.

Audi: Soweit ich weiß, ist er nicht der Einzige in der Familie, der mit Metall gearbeitet hat.

Éva Reményi: Ja, auch mein Vater arbeitete in jungen Jahren als Karosserieschlosser – und ich habe als kleines Mädchen viel Zeit bei ihm in der Werkstatt verbracht. Karosseriebau ist der Schmiedekunst sehr ähnlich, wie ich später gelernt habe.

Audi: Was für eine Rolle haben diese Kindheitserfahrungen für Sie gespielt, um diesen Weg einzuschlagen?

Éva Reményi: Ich bin mir sicher, eine sehr große. Ich habe mich viel mit Psychologie beschäftigt. Als ich versuchte, herauszufinden, woher die Entscheidung kam, wie sie befeuert wurde, stellte ich fest, dass sie zum Teil in der Werkstatt meines Vaters entstanden ist. Ich war das kleine Mädchen, das sich in der Werkstatt nicht langweilte, sondern sich gerne Schrauben und Werkzeuge ansah. Übrigens fasziniert mich ein Werkzeug bis heute mehr als etwa eine schöne Tasche.

Audi: Und welche Erinnerungen haben Sie an die Frauen in der Familie? Erinnern Sie sich an eines ihrer Schmuckstücke, das Ihre Fantasie als kleines Mädchen beflügelt hat?

Éva Reményi: Ein Mensch besteht aus verschiedenen kleinen Elementen seiner Abstammung – so habe ich auch viel von der weiblichen Seite der Familie in mir. Mein Großvater väterlicherseits war technischer Leiter einer Leinenweberei in Buda: Im Rahmen seiner Arbeit bereiste er fast die die ganze Welt und brachte meiner Großmutter von jeder Reise ein besonderes Schmuckstück mit. So besaß meine Großmutter eine ansehnliche Sammlung von Schmuckstücken, die sie auch trug. Diese sind mir sehr lebhaft in Erinnerung. Meine Großmutter mütterlicherseits besaß dagegen nur sehr wenig Schmuck, aber ich erinnere mich auch sehr deutlich daran – so sehr, dass das Leitmotiv unserer Vulcano-Kollektion von einer ihrer Anstecknadeln inspiriert wurde. Und von meiner Mutter habe ich etwas sehr Wichtiges geerbt: den Unternehmergeist. Von ihr habe ich auch den Mut geerbt.

Audi: Sie haben einen Abschluss in Volkswirtschaft gemacht, den Bereich aber schnell wieder verlassen. Hat dieser „Abstecher“ zum Erfolg der Marke beigetragen?

Éva Reményi: Die wirtschaftlichen Grundlagen, die ich an der Universität gelernt habe, sind nützlich. Aber die praktischen Dinge habe ich von meiner Familie gelernt. Apropos Erfolg: Ich sollte auch betonen, dass ich die Marke seit fünf Jahren zusammen mit meinem Mann Gerzson Huszár führe. Er bringt viel Wissen und Geschäftserfahrung in das Unternehmen ein. So habe ich das Glück, im kreativen Bereich bleiben zu können.

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Heute ist bereits klar, dass wir nicht weiterleben können, ohne verantwortungsvoll an die Zukunft zu denken. Als Marke versuchen wir, dies zu unterstützen.

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Audi: Sie richteten Ihre erste Werkstatt im Gartenhaus Ihrer Großmutter ein. Wie erinnern Sie sich an die Anfertigung Ihrer ersten Stücke, die bereits Éva-Reményi-Schmuck waren?

Éva Reményi: Am Anfang hatte ich eine unglaubliche Flut von Ideen und viel experimentiert. Ich gehörte nie zu den Künstlern, die alles minutiös im Voraus planen und sich dann millimetergenau an die Pläne halten. Am Anfang habe ich der Intuition viel mehr Raum gegeben. Dagegen ist heute jede Kollektion und jedes Schmuckstück sorgfältig durchdacht. Aber Spontanität ist für mich immer noch wichtig. Zumal ich seit vier oder fünf Jahren mit Wachsguss arbeite, bei dem Improvisation eine große Rolle spielt: Dies ist ein sehr besinnlicher Prozess, bei dem die Weichheit des Wachses unendlich viele Möglichkeiten bietet.

Audi: Sie arbeiten mit Kupfer, Silber und Gold. Warum fiel die Wahl auf diese Materialien?

Éva Reményi: Ich hatte den starken Wunsch, viele Dinge auszuprobieren, und es war mir wichtig, dass ich keine Größenbeschränkungen hatte – mit Edelmetallen wäre das alles nicht möglich gewesen. Also begann ich zunächst, mit Kupfer zu arbeiten. Was teilweise auch geblieben ist, denn die meisten unserer Schmuckstücke werden immer noch aus diesem Material hergestellt, das in mehreren Schichten vergoldet wird. Es gibt aber auch Silberstücke, die rhodiniert sind, während die Verlobungs- und Trauringe in unserer Hochzeitskollektion alle aus Gold gefertigt sind.

Audi: Aus welchen spirituellen Quellen schöpfen Sie Ihre Inspiration?

Éva Reményi: Jede Kollektion ist mit einem sehr starken emotionalen Zustand verbunden. Wenn ich also meinen Schmuck ansehe, kann ich genau sagen, in welchem Gemütszustand oder in welcher Lebenslage ich mich zu der Zeit befand, als ich ihn kreierte.

Audi: Können dies positive wie auch negative Situationen sein?

Éva Reményi: Ja, so entstand zum Beispiel die Artemis-Kollektion, als wir schon fast ein Jahr lang durch die Coronaepidemie eingeschränkt waren und ich unbedingt unsere Freiheit zurückhaben wollte. Ich sehe in jedem Stück ein Motiv des tosenden Meeres, aber auch eine kriegerische Weiblichkeit – daher der Name nach der griechischen Göttin der Jagd.

Audi: Darin zeigt sich die Natur und auch eine alte Kultur – genau wie in Ihren neuesten Kollektionen. Liege ich richtig, dass Reisen eine wichtige Inspirationsquelle für Sie ist?

Éva Reményi: So ist es. Bevor meine Tochter geboren wurde, bin ich viel gereist. Ich war zum Beispiel in Thailand, Kambodscha und Indonesien; dort sind die Menschen viel mehr mit der Natur und dem Land in Kontakt als hier, und das hat mich sehr beeindruckt. Aber ich lasse mich auch von der Schmiedekunst des frühen Mittelalters inspirieren, von den alten Schmucktraditionen: Deshalb sehen zum Beispiel die Stücke der Archaic-Kollektion aus, als kämen sie aus einer archäologischen Ausgrabung. All die Anregungen und Eindrücke, die ich in meinem Leben gesammelt habe, finden irgendwie ihren Weg zurück in meinen Schmuck. Ich denke, dass ich meine Erfahrungen gut übersetzen und vermitteln kann, wenn die Stücke die Menschen berühren.

Jede Kollektion ist mit einem sehr starken emotionalen Zustand verbunden.

Audi: Wie sieht danach der kreative Prozess aus?

Éva Reményi: Wenn ich eine Grundidee, ein Leitmotiv für eine Kollektion oder ein bestimmtes Schmuckstück habe, fange ich an, diese zu entfalten. Am liebsten würde ich mich dann wochenlang in die Berge zurückziehen, um mich nur mit meinen Gedanken zu beschäftigen; doch ist dies in der Regel nicht möglich. Also versuche ich, mir die nötigen ruhigen Stunden im Alltag zu schaffen. Die Ideen kommen mir meist abends im Halbschlaf, und ich versuche, sie aufzuschreiben oder zu zeichnen. Dann fange ich an, mit dem Material zu experimentieren – für die Euphoria-Kollektion beispielsweise dauerte diese Phase sechs Monate –, und erstelle dann die Muster. Anschließend entsteht der konkrete Schmuck in der Gießerei fast in seiner endgültigen Form. Doch arbeiten wir in der Werkstatt natürlich noch daran, ihn zu perfektionieren. Sobald die Musterstücke fertiggestellt sind, beginnt die Werkstatt mit der Vervielfältigung der fertigen Kollektion.

Audi: Was bedeutet Ihnen kreatives Schaffen?

Éva Reményi: Alles, könnte man sagen. In den letzten zehn Jahren ist es zu meinem Leben geworden.

Audi: Haben Sie eine Lieblingsphase?

Éva Reményi: Es gibt zwei: die erste, wenn die Stücke in meinem Kopf entstehen – dann verlasse ich die Welt ein wenig und komme in einen anderen Bewusstseinszustand. Die zweite Phase ist am Ende des Prozesses, wenn wir alles fertig haben, den Schmuck in den Webshop hochladen und ihn der Öffentlichkeit zeigen. In dem Moment bin ich auch nach zehn Jahren noch aufgeregt.

Audi: Sie haben öfter erwähnt, dass Sie ein kleines Stück Ihrer Seele in Ihre Schmuckstücke einfließen lassen. Könnte dies das Geheimnis sein, warum sie so beliebt sind?

Éva Reményi: Ich denke, der Spirit, aus dem die Schmuckstücke entstehen, geht auf die Menschenüber. Sie werden von der Persönlichkei berührt, die ich in sie hineinlege. Sie werden auch von der bereits erwähnten Antike und der unvollkommenen Perfektion berührt, die jedes Stück kennzeichnet. Das ist in gewisser Weise das, was der Mensch selbst ist: unvollkommen perfekt.

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Ich denke, der Spirit, aus dem die Schmuckstücke entstehen, geht auf die Menschen über.

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Audi: Manche Dinge deuten über sich hinaus. Wenn jemand zum Beispiel einen Audi kauft, dann fällt die Wahl nicht nur auf ein Auto, sondern auch auf eine Einstellung, einen Spirit. Was wählt jemand, der Schmuck von Reményi trägt?

Éva Reményi: Neben den erwähnten emotionalen Gründen gibt es vielleicht auch rationale Gründe, sich für uns zu entscheiden. Heute ist bereits klar, dass wir nicht weiterleben können, ohne verantwortungsvoll an die Zukunft zu denken. Als Marke versuchen wir, dies zu unterstützen, indem wir so weit wie möglich umweltfreundliche Lösungen wählen. Vor einigen Jahren haben wir unser gesamtes Verpackungsmaterial durch FSC-zertifiziertes Material ersetzt. Das bedeutet, dass das als Rohstoff verwendete Holz aus Wäldern stammt, die auf natürliche Weise nachwachsen können. Wir sind uns aber auch der Bedeutung der Nachhaltigkeit bewusst: Der gesamte Metallschrott wird eingeschmolzen, sogar der Staub vom Feilen, so dass nichts verschwendet wird. Darüber hinaus stammt das von uns verwendete Silber und Gold zu 100 Prozent aus recycelten Quellen. Und mit der herausragenden Qualität, die wir anstreben, wollen wir sicherstellen, dass unsere Kunden unseren Schmuck lange tragen und auch ihre Enkelkinder ihn noch verwenden können. Dazu können unsere Stücke jederzeit zurückgebracht werden – auch nach Ablauf der einjährigen Garantie –, und wir werden sie zu minimalen Kosten neu vergolden, erneuern und reparieren.

Audi: Worauf sind Sie nach den ersten zehn Jahren der Marke am meisten stolz?

Éva Reményi: Zunächst einmal auf unseren Showroom in Budapest. Damit ist für mich ein Traum in Erfüllung gegangen: So groß unser Einsatz war, so wichtig war es mir auch, einen Raum zu haben, den ich als eigene Identität empfinde, der uns auf würdige Weise repräsentiert und der für unsere Gäste da ist. Und dann war natürlich auch unser Erscheinen in der Vogue im Jahr 2021 ein großer Meilenstein, als sich eine Londoner Stylistin von Wolf & Badger in unseren Schmuck verliebte und eine Doppelseite daraus machte. Als ich damals im Gartenhaus meiner Großmutterhämmerte, hätte ich nie gedacht, dass wir das erreichen würden.

Audi: Kommen wir zum Anfang unseres Gesprächs zurück: Anlässlich des Jubiläums haben wir Vergangenes Revue passieren lassen, doch was erhoffen Sie sich für die Zukunft?

Éva Reményi: Im Frühjahr werden wir eine neue Kollektion präsentieren, die in vielerlei Hinsicht anders sein wird: Zum ersten Mal werden die Formen an ein bestimmtes Objekt erinnern, und zum ersten Mal werden Farben in einer Kollektion vertreten sein. Außerdem planen wir für das nächste Jahr eine größere Investition, um die Qualität unserer Vergoldung weiter zu verbessern. Wir wollen auch unseren Vertrieb im Ausland ausbauen. Und ein weiterer Traum ist, in einigen Jahren einen Flagship-Store im Stadtzentrum zu eröffnen.

Audi: Halten Sie kreative Überraschungen für uns bereit?

Éva Reményi: Ich spüre schon seit einer Weile, dass etwas Neues in der Luft liegt, und bin jetzt bereit, dass wir neue Wege erobern. Interessant ist auch, dass ich in der neuen Kollektion auf einige Materialien und Techniken aus meiner Hobbyzeit zurückgreifen werde.

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